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Das Sprachenportrait:

Als Stimulus am Beginn unserer Interviews kam das sogenannte Sprachenportrait, eine multimodale Methode, zum Einsatz. So hatten unsere Forschungspartnerinnen vor dem Interview Zeit, über ihre eigenen sprachlichen Ressourcen zu reflektieren. Sprachenportraits wurden ursprünglich dafür eingesetzt, das Bewusstsein über die sprachlichen Fähigkeiten multilingualer Schülerinnen und Schüler zu stärken. Im Hinblick auf unsere Forschungsfragen wählten wir Sprachenportraits als Erzählstimulus, da sich durch die bildliche Darstellung die Art und Weise verändert, wie über Sprache(n) gesprochen wird. Statt der ansonsten üblichen chronologischen Aufzählung von Sprachen nach der Reihenfolge ihres Erwerbs werden die jeweiligen Sprachen in Relation zueinander gesetzt und ihnen werden Funktionen zugeschrieben. Oft kommt es auch zu Bewertungen einzelner Ressourcen.

Vor dem eigentlichen Beginn des Interviews wurden unsere Interviewpartnerinnen dazu eingeladen, über die Sprachen, die für sie bis jetzt in ihrem Leben in irgendeiner Form eine Rolle gespielt haben, nachzudenken und diese mit Farbstiften oder Kugelschreiber in die zur Verfügung gestellte Körpersilhoutte einzuzeichnen.

Suvi

Suvi ist für ihr Master-Studium nach Wien gezogen und lebt hier erst seit wenigen Monaten. Deutsch lernt sie jedoch schon seit ihrer Schulzeit in Finnland. Sie hat bereits mehrmals für längere Zeit in Deutschland und Österreich gelebt: Mit 17 Jahren verbrachte sie ein Austauschjahr an einer Schule in Deutschland, ein paar Jahre später arbeitete sie als Au-pair bei einer deutschen Familie und im Rahmen ihres Bachelorstudiums absolvierte sie ein Erasmus-Semester an der Universität Innsbruck. Da sie noch nicht lange in Wien lebt, kennt sie nicht viele Finninnen und Finnen hier, sucht aber auch nicht aktiv nach finnischen Kontakten. Ihr Ziel ist viel mehr, ihr Deutsch in Wien zu verbessern und ihr Studium erfolgreich abzuschließen. Finnisch spricht sie im Alltag gar nicht, es sei denn, sie telefoniert mit Freunden oder Familienmitgliedern in Finnland. Obwohl ihr die finnische Sprache sehr wichtig ist, denkt sie manchmal darüber nach, wie praktisch es wäre, wenn das Finnische den Sprachen, die sie im täglichen Leben begleiten, in gewisser Weise „mehr Platz im Kopf“ geben würde:

„[…] wo ich mir manchmal auch denke, ja, also es wäre besser, wenn ich die Sprache komplett vergessen würde, dann könnte ich mich besser noch auf Deutsch und Englisch ausdrücken. Aber dann manchmal ist man schon stolz darauf so eine Sprache als Muttersprache zu haben, die sehr wenige Menschen nur sprechen. Deswegen verbindet man damit vielleicht auch eine bestimmte Emotionalität. Finnisch gehört schon irgendwie stark noch zu meiner Identität.“

Anneli

Anneli wohnt bereits seit 10 Jahren in Wien und arbeitet momentan an ihrer Diplomarbeit, die sie bis zum Ende des kommenden Sommersemesters fertigstellen will. Helsinki ist ihr Geburtsort, aber lange blieb sie nicht in Finnland, denn ihre Eltern zogen viel um. Ihre ersten Stationen im Ausland waren China, Russland und Deutschland. Im Kindergarten in Deutschland begann sie mit dem erlernen der Deutschen Sprache. Da ihre Eltern mit ihr zuhause Finnisch sprachen und dabei auch sehr streng waren, wuchs sie also zweisprachig auf. Nach dem fünfjährigen Deutschlandaufenthalt verbrachte sie zweieinhalb Jahre in Finnland bevor es weiter nach Japan und schließlich nach Österreich ging. In Japan, genauer gesagt in Tokio, besuchte Anneli bis zum Ende der vierten Klasse eine deutsche Schule. In dieser Schule begann sie auch Englisch und Französisch zu lernen. Die Oberstufe besuchte sie dann schon in Wien, wo sie auch maturierte. Obwohl sie bis jetzt die meisten Jahre ihres Lebens woanders verbracht hat, ist sie dennoch sehr stark mit Finnland verbunden:

„Ich bin einfach durch und durch Finnin, auch wenn ich bisher nicht so lange dort gewohnt habe, aber meine Familie wohnt dort und wir sind halt auch sehr finnisch aufgewachsen. Meine Wohnung schaut auch so aus als würde ich in Finnland wohnen. […] Meine Gläser sind aus Finnland, meine Teller sind aus Finnland, meine Bettwäsche ist aus Finnland, meine Schminksachen sind aus Finnland.“

Elina

Elina lebt seit fünf Jahren in Wien und fühlt sich mittlerweile wohl hier. Sie ist für ihr Studium nach Wien gezogen und hat erst in Österreich begonnen Deutsch zu lernen. Dadurch empfindet sie ihre Anfangszeit in dieser Stadt als schwierig, weil es gedauert hat, bis sie sich zugetraut hat, auf Deutsch zu kommunizieren. Sie ist in der finnischen Community aktiv und besucht oft Veranstaltungen, die die finnischen Studierenden in Wien organisieren. Da sie als Babysitterin für eine finnische Familie arbeitet und mit den Kindern nur Finnisch spricht, ist das Finnische sehr präsent in ihrem Alltag. Elina kommuniziert also mit einigen ihrer Freunde und Freundinnen hier, in der Arbeit und mit ihrer Familie in Finnland in ihrer Muttersprache. Durch ihren österreichischen Freund und ihr Studium in Wien spielt das Deutsche heute aber auch eine große Rolle in ihrem Leben. Über ihre Verbindung zu Finnland sagt sie:

„Also ich glaube mit Finnland, es ist eh meine Identität. Ich glaube es wäre nicht so stark, wenn ich in Finnland wohnen würde. Aber wenn man im Ausland wohnt, muss man sich irgendwie/ Man denkt mehr daran, also wo man her kommt, wer bin ich, und so weiter.“

Bei den Namen der Interviepartnerinnen handelt es sich um Pseudonyme.

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